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Barrierefreie Toiletten auch bei freiwilligem Einbau Pflicht • OVG NRW bestätigt Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts

von | 2. Nov. 2019 | Öffentlich zugängliche Objekte | 0 Kommentare

Wird für ein öffentlich zugängliches Objekt eine Nutzungsänderung beantragt, sind Besuchertoiletten barrierefrei zu gestalten, auch wenn diese “freiwillig” eingerichtet werden sollten.

Das hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster am 24. Januar 2012 entschieden (Az. 7 A 1977/10).

Das Gericht wies damit die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21. Juli 2010 (Az. 23 K 7861/08) zurück.

Im Ausgangsverfahren hatte eine Gastronomiebetreiberin eine Toilettenanlage ohne bauordnungsrechtliche Pflicht errichtet.

Die Bauaufsicht forderte, mindestens ein WC rollstuhlgerecht auszuführen.

Nach Auffassung beider Gerichte greift § 55 Abs. 4 Satz 10 BauO NRW unabhängig davon, ob eine Pflicht zur Errichtung der Toilette besteht.

Wird eine öffentlich zugängliche WC-Anlage gebaut, muss mindestens eine Kabine für Rollstuhlfahrer nutzbar sein.

Ein Antrag auf Abweichung wegen unverhältnismäßigen Aufwands blieb ohne Erfolg.

Die Gerichte betonten den Schutzzweck der Vorschrift und verwiesen auf das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG sowie die UN-Behindertenrechtskonvention.

Das Urteil des OVG ist rechtskräftig.

Konsequenzen für Betreiber

Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung:

Spatestens seit dem OVG-Urteil (2012) müssen Betreiber von Cafés, Restaurants oder Ladenlokalen, die freiwillig eine Besuchertoilette einrichten, von Anfang an eine barrierefreie Planung einkalkulieren.

Das gilt im Übrigen auch für Umnutzung von Büroräumen, die zukünftig als Arztpraxen, Therapieeinrichtungen usw. fungieren sollen.

Konsequenzen für genemigenden Bauaufsichtsbehörden der Kommunen

Das OVG-Urteil (7 A 1977/10) hat für Bauaufsichtsbehörden in NRW mehrere direkte Konsequenzen:

Bindende Auslegung der BauO NRW

Das OVG ist die höchste Verwaltungsgerichtsinstanz des Landes.

Seine Entscheidung legt § 55 Abs. 4 Satz 10 BauO NRW verbindlich für die Praxis aus:

Jede öffentlich zugängliche WC-Anlage – egal ob vorgeschrieben oder freiwillig gebaut – muss mindestens eine rollstuhlgerechte Kabine haben.

Verwaltungspraxis vereinheitlichen

Kommunale Bauaufsichtsbehörden können sich nicht mehr darauf berufen, dass bei freiwilligen Toiletten keine Barrierefreiheit verlangt werden könne.

Die Genehmigungspraxis muss angepasst werden: Bauvorlagen mit WC-Anlagen sind daraufhin zu prüfen, ob sie rollstuhlgerecht geplant sind.

Keine Ausnahmen ohne Nachweis der Unverhältnismäßigkeit

§ 55 Abs. 6 BauO NRW erlaubt Abweichungen nur bei konkretem Nachweis eines unverhältnismäßigen Mehraufwands.

Das Urteil zeigt:

  • Pauschale Kostenargumente reichen nicht.
  • Bauaufsichtsbehörden müssen solche Anträge sehr restriktiv prüfen.

Bezug auf höherrangiges Recht

Die Entscheidung stützt sich ausdrücklich auf Art. 3 Abs. 3 GG und die UN-Behindertenrechtskonvention.

Bauaufsichtsbehörden müssen diese Normen künftig bei bauordnungsrechtlichen Entscheidungen zur Barrierefreiheit einbeziehen.

Vorbildwirkung für kommunale Satzungen und Beratung

Kommunen können das Urteil als Grundlage nutzen, um Planer und Betreiber frühzeitig auf Barrierefreiheitspflichten hinzuweisen.

Es stärkt die Position der Behörden in bauordnungsrechtlichen Anordnungsverfahren.

Fazit

Das Urteil schafft eine landesweit einheitliche Grundlage für die Verwaltungspraxis.

In NRW darf keine öffentlich zugängliche Toilette ohne rollstuhlgerechte Kabine mehr genehmigt oder geduldet werden, unabhängig davon, ob sie vorgeschrieben oder freiwillig errichtet wurde.

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