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Brücke über Theodor-Heuss-Straße und Anschlussbahn abgerissen • Brücken-Neubau: Politikum vs. Sachverstand? • Vorsätzliches Ausgrenzen von Mobilitätseingeschränkten? • Ein Faktencheck

von | 11. Dez. 2025 | Barrierefreiheit, Mobilität, Verkehrsinfrastruktur | 0 Kommentare

Die Ausgangslage

Mit dem Abriss der Fußgängerbrücke über die Theodor-Heuss-Straße und die angrenzende Bahntrasse ist eine wichtige Verbindung zwischen zwei großen Ortsteilen ersatzlos entfallen.

Seitdem fehlen sichere, legale und barrierefreie Querungsmöglichkeiten – sowohl über die vierspurige Straße als auch über die parallel verlaufende Eisenbahnanlage.

In der öffentlichen Diskussion wurde früh der Neubau einer Brücke als vermeintlich naheliegende Lösung dargestellt.

Eine vertiefte fachliche, rechtliche und vor allem barrierefreie Prüfung alternativer Lösungen hat jedoch bislang nicht in der notwendigen Tiefe stattgefunden.

Der BSK Mönchengladbach  hat dies zum Anlass genommen, einen umfassenden Faktencheck durchzuführen.

Im Ortsteil Hermges hat die Mönchengladbacher Stadtverwaltung wegen baulicher Mängel die Fußgängerbrücke gesperrt und anschließend in einer unerwartbaren Schnelligkeit diese Brücke abreißen lassen.

Diese Maßnahme war nachvollziehbar.

Nachvollziehbar ist auch, dass von den unterschiedlichsten Seiten Ersatzmaßnahmen gefordert werden.

Wenig nachvollziehbar ist allerdings, mit welcher Vehemenz aus der Politik die Forderung nach einer neuen Brücke gestellt wird und mit welcher offensichtlichen Unüberlegtheit die Verwaltung diese Forderung bekräftigt.

So geschehen beispielsweise in der Sitzung eines Ratsgremiums, als – unwidersprochen – ein Verwaltungsmitarbeiter einer Fachabteilung den Aufbau einer Ersatzbrücke als die „beste Lösung“ deklarierte und in Aussicht stellte die Brücke innerhalb von 2 – 3 Wochen Ende Februar 2026 errichten zu können.

Nun kann man von Politikern nicht unbedingt Widerspruch erwarten, weil die wenigsten die Brücke bislang selbst benutzt hatten und kaum über den Sachverstand verfügen, solche Ankündigungen und deren mögliche Auswirkungen kritisch zu hinterfragen.

Zumindest aber hätte man erwarten können, dass nach alternativen und zwar barrierefreien Lösungen für das „Querungsproblem“ gefragt worden wäre.

Denn die bisherige Brücke war keineswegs barrierefrei, was sicherlich auch dem Errichtungsbaujahr geschuldet war.

Möglicherweise wäre es für Politiker hilfreich gewesen, wenn sie sich mit Behindertenverbänden in Kontakt begeben und mit deren Fachleuten beraten hätten, bevor Anträge “in die Welt” gesetzt werden ……

 

 

Stattdessen folgt man ohne ausreichende Prüfung dem „Argument“ der „Grünen Welle“ und möglicherweise entstehender Einschränkungen des Straßenverkehrs durch die nicht bewiesene Behauptung, es würde beispielsweise bei einer Ampelquerung über die Theodor-Heuss-Straße zu erheblichen Rückstaus kommen.

Ob eine „Ampelquerung“ überhaupt notwendig ist, ist durch nichts bewiesen und damit auch nicht, ob eine Querung ohne Ampel möglich ist, wie sie seit Jahrzehnten auf der ebenfalls 4-spurigen „Verlängerung“ der Theodor-Heuss-Straße, nämlich der Gartenstraße in Höhe des ehemaligen Polizeipräsidiums existiert.

Bislang ist es an dieser „prominenten“ Stelle im Umfeld der Hochschule weder in Richtung Rheydt noch in Richtung Mönchengladbach und/oder an der Kreuzung mit der Breite Straße zu „Rückstaus“ gekommen.

Zum nicht verantwortbaren Vorhaben “neue Brücke”

Die bisherige Brücke erforderte sowohl nach der StVO als auch nach der EBO (Eisenbahn-Bau-und Betriebsordnung) eine Durchfahrthöhe von 4,8 Meter.

Dieses Mindestmaß gilt auch für eine neue Brücke.

Wenn man nicht bewusst – oder gar vorsätzlich – die Barrierefreiheit für einen Neubau ignorieren will, sind an drei Stellen des Bauwerks Rampen mit einer Länge von jeweils 100 Meter notwendig.

Die Grundlage dafür bildet die DIN 18040-1, die vorgibt, dass Rampen auf einer Länge von 6 Metern eine Steigung/Neigung von maximal 6% haben dürfen, damit Menschen mit Behinderungen diesen Höhenunterschied ohne fremde Hilfe überwinden können.

Bei längeren Rampen ist nach diesen 6 Metern – als „Ruhefläche“ – eine neigungsfreie Fläche von mindestens 1,5 Metern vorgeschrieben.

Beim Höhenunterschied von 4,8 Metern müsste ein Brücke aus 13 Teilbereichen mit jeweils 6 Meter Rampe und 1,5 Meter Ruhefläche bestehen.

Angesichts der räumlichen Gegebenheiten sowohl auf der „Streckenseite“ mit dichter Bebauung zwischen der Theodor-Heuss-Straße und der Eisenbahnstrecke von Mönchengladbach Hbf nach Rheydt Hbf, als auch der Ückelhofer Straße und erst Recht auf dem Geh- und Radweg entlang der Theodor-Heuss-Straße sind solche Rampen nicht realisierbar.

gemäß DIN 18040

gilt für alle drei “Zugänge” zur neuen Brücke

Zwischenfazit

Der Neubau einer Brücke kommt aus räumlichen, technischen und sozialen Gründen nicht infrage.

Auch aus finanziellen Gründen ist eine solche Brücken-Neubau-Maßnahme nicht verantwortbar, auch wenn man die Kostenentwicklung im Verlauf vom Planungsbeginn bis zur Ausführung außer Acht lassen würde.

Denn die Erfahrungen liegen auf der Hand, berücksichtigt man die Historie der Fußgängerbrücke Bettrather Straße, die anfänglich mit ca. 1 Mio. Euro veranschlagt wurde und in mehreren Kostensteigerungs­stufen über 2,5 Mio. Euro, zwischenzeitlich 4,8 Mio. Euro nunmehr über 7 Mio. Euro kosten soll.

Sollte die Politik der Verwaltung folgen und den Neubau einer Brücke beschließen, wäre das bundesweit ein einmaliger Vorgang, der angesichts der kritischen haushalterischen Lage der Stadt Mönchen­gladbach nicht nur die Kommunalaufsicht bei der Bezirksregierung in Düsseldorf, sondern auch den Bund der Steuerzahler interessieren könnte.

Die wirtschaftlichere und soziale Alternative ohne Brücke

Wesentlich kostengünstiger, den Räumlichkeiten entsprechend, technisch leichter realisierbar und auch sozialer ist eine „ebenerdige“ Querung der beiden Verkehrswege „Schiene“ und „Straße“.

Hierzu würde ein „nicht technisch gesicherter“ Bahnübergang nur für den Fußverkehr (BÜf) und eine wie auch immer gestaltete Querung (ggf. sogar ohne Ampelanlage) über die Theodor-Heuss-Straße ausreichen.

Grundlage für die technische Umsetzung bildet die Richtline 815 (Ril 815) der DB InfraGO.

Maßgeblich für diese Alternative sind die Bedingungen, die erfüllt werden müssen, damit die Bahn (hier: DB IntraGO AG) und ggf. das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) der Einrichtung einem BÜf zustimmen.

Dazu müsste die Stadt Mönchengladbach einen entsprechenden Antrag stellen und erklären, die Kosten für den neuen BÜf zu übernehmen.

Die Bedingungen für einen BÜf

Grundsätzliche Voraussetzungen

  • Bedürfnis besteht
    (z. B. Schulweg, Wanderweg, Zugang zu Wohngebieten, Haltestellen etc.)
  • Positive Gefährdungsbeurteilung
    hinsichtlich Zuggeschwindigkeit, Zughäufigkeit, Sichtverhältnisse, Nutzergruppen (Kinder, Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, Tages- und Nachtbetrieb, …

  • Betreiber der Strecke und Eisenbahnaufsicht stimmen zu
    Eisenbahn-Bundesamt (EBA) und DB InfraGO AG

Mindestanforderungen an reinen Fußweg-Übergang

  • Bauliche Anforderungen
    Rutschfester Übergang (z. B. Gummirillenplatten), seitliche Führungsgitter / Umlaufsperren, keine Möglichkeit, mit Fahrzeugen auf die Gleise zu fahren, Barrierefreiheit, wenn öffentlicher Weg

  • Sichtbedingungen
    Freie Sicht auf die Strecke in beide Richtungen

  • Mindestkennzeichnung
    Andreaskreuz „nur Fußgänger“, Warnschilder, ggf. akustische Warnsignale

Keine Schranken oder Signale erforderlich, wenn mindestens erfüllt sind:
Sehr geringe Zugfrequenz (z. B. 1–4 Fahrten monatlich), niedrige Geschwindigkeit (typisch ≤ 20–30 km/h), sehr gute Sichtverhältnisse

Fachexpertise bestätigt optimale Voraussetzungen

Ein Fachexperte für Eisenbahninfrastuktur und Eisenbahnbetrieb erklärt: “Die Situation deutet stark darauf hin, dass die Bevölkerung bereits faktisch einen „inoffiziellen“ Übergang nutzt, der aber für die Bahn rechtlich inakzeptabel und für Mobilitätseingeschränkte unpassierbar ist. Das spricht für die Einrichtung eines offiziellen, sicheren Übergangs.”

Seine Einschätzung basiert auf diesen Fakten:

  • Sehr gering genutztes Anschlussgleis (1–3 Zugfahrten/Monat; max. ca. 40 km/h).
  • Bestehende Bahnübergänge im Umfeld sind handbedient, was typisch für Anschlussgleise mit sehr geringer Auslastung ist.
  • Es gibt bereits jahrelang genutzte Trampelpfade, die mangels Infrastruktur nicht barrierefrei und nicht sicher sind.
  • Das Gleis liegt sichtbar auf alten Holzschwellen, der Zustand deutet auf Langsamfahrbereich hin.
  • Die Strecke verläuft an dieser Stelle gerade und mit sehr guter Sicht in beide Richtungen.
  • Das Gleisumfeld ist weitgehend freigeräumt oder freischneidbar.
  • Auch zu Fuß besteht eine weitreichende Sicht – 150 bis deutlich über 300 m scheinen realistisch
  • Bei 40 km/h ergibt sich ein Anhalteweg von unter 100 Meter
  • Das Gleis ist senkrecht zum geplanten Wegeanschluss überquerbar.
  • Es besteht ein logisch begründbarer Wegezusammenhang → Fußweg an der Theodor-Heuss-Straße und der parallel verlaufenden  Ückhofer Straße.
  • Übergang kann räumlich sinnvoll angeordnet werden.
  • Ausreichend Platz für eine barrierefreie, niveaugleiche Ausführung (z. B. Gummirillenplatten, gut sichtbare Rampen).
  • Der Standort ist städtebaulich sinnvoll, technisch machbar und sicher arrangierbar

Die Dauer der Maßnahme hängt im Wesentlichen vom Planungs- und Genehmigungsprozedere ab und kann bis zu 8 Monate in Anspruch nehmen.

Die Dauer der Bauphase (einschließlich Abnahme) schätzt der Experte auf ca. 8 Wochen.

Die Straßenquerung

Für die Herstellung einer Querung über die Theodor-Heuss-Straße sollten im Fachdezernat hinreichende Erfahrungen vorliegen. Die Position der Querung muss nicht zwingend mit der Position des BÜf übereinstimmen, jedoch nach den Regeln der Mönchengladbacher Straßenbaudetails geplant und umgesetzt werden.

Sollte ein ampelgesicherter Überweg wirklich erforderlich sein, bietet sich hierfür der Einsatz einer so genannten „Bedarfsampel“ an, wie sie aktuell an der Korschenbroicher Straße im Bereich der Einmündung Maurus-Ahn-Straße realisiert ist. Diese zeigt als Standard-Zustand “grün” für den Straßenverkehr.

Erst wenn Fußgänger einen Knopf am Mast drücken, wird ein Signal „angefordert“ und die Ampel schaltet innerhalb des Systemzyklus für den Fußverkehr auf “grün”.

Fazit und Ausblick

Der vorliegende Faktencheck zeigt eindeutig, dass der Ersatz der abgerissenen Brücke über die Theodor-Heuss-Straße und die angrenzende Bahnanlage durch einen Neubau einer Brücke weder räumlich, noch technisch, noch sozial verantwortbar ist.

Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit ist eine Brückenlösung faktisch nicht realisierbar und würde dauerhaft Menschen mit Mobilitätseinschränkungen von einer gleichberechtigten Nutzung ausschließen.

Demgegenüber stellt eine ebenerdige, vollständig barrierefreie Querung der Verkehrswege „Schiene“ und „Straße“ die sachlich, wirtschaftlich und sozial überlegene Lösung dar. Sie ist technisch machbar, finanziell überschaubar und innerhalb eines realistischen Zeitraums umsetzbar.

Gleichzeitig würde sie bestehendes, gefährliches “Wild”-Queren ersetzen und die Verkehrssicherheit für alle erhöhen.

Besonders vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung gewinnt diese Frage zusätzliche Bedeutung.

Der Anteil älterer Menschen sowie von Menschen mit dauerhaften oder temporären Behinderungen wird in den kommenden Jahren weiter steigen.

Barrierefreie Infrastruktur ist daher keine Sonderlösung für eine kleine Gruppe, sondern eine zentrale Voraussetzung für eine zukunftsfähige, soziale Stadtentwicklung.

Eine Entscheidung für eine ebenerdige Querung ist somit auch eine Entscheidung:

  • für gleichberechtigte Teilhabe,
  • für selbstständige Mobilität,
  • für soziale Verantwortung, und
  • für einen verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Mitteln.

Der BSK Mönchengladbach appelliert daher an Politik und Verwaltung, den Fokus von symbolträchtigen Großbauwerken hin zu alltagstauglichen, inklusiven Lösungen zu verschieben.

Eine Stadt, die Mobilität für alle ernst nimmt, muss Barrierefreiheit von Anfang an mitdenken – nicht als Ausnahme, sondern als Maßstab.

FAQ zu “Barrierefreie Querung statt neuer Brücke”

 

Warum lehnt der BSK Mönchengladbach einen Brückenneubau ab?

Weil eine Brücke unter den gegebenen räumlichen Bedingungen nicht barrierefrei nutzbar wäre. Die notwendigen Rampen wären extrem lang, kaum praktikabel und würden viele Menschen ausschließen. Gleichzeitig wäre ein Neubau sehr teuer und würde die bestehenden Gefahren durch Wildquerungen nicht zuverlässig beseitigen.

Muss ein solcher Bahnübergang nicht vom Eisenbahn-Bundesamt genehmigt werden?

Ja.

Ein barrierefreier Bahnübergang (BÜf) bedarf einer formellen Prüfung und Genehmigung durch die zuständige Eisenbahnaufsicht.
Das ist ein regulärer, bewährter Prozess und kein Sonderfall. Die geringe Zugfrequenz und die örtlichen Sichtverhältnisse sind dabei wichtige positive Faktoren.

Ist eine ebenerdige Querung wirklich barrierefrei?

Ja.

Bei entsprechender Planung:

  • niveaugleiche Übergänge,

  • taktile Leitsysteme,

  • ausreichende Wegebreiten,

  • keine Drehtore oder Stufen.

Im Gegensatz zur Brücke ist Barrierefreiheit hier realistisch und dauerhaft umsetzbar.

Ist eine Brücke nicht sicherer als eine Querung auf Straßenniveau?

Nicht automatisch.

Eine schwer nutzbare Brücke wird umgangen – das zeigen Erfahrungen vieler Städte.Eine gut gestaltete, barrierefreie Querung wird dagegen akzeptiert und genutzt.

Geht es hier nur um Menschen mit Behinderungen?

Nein.

Barrierefreie Infrastruktur nützt:

  • älteren Menschen,

  • Kindern,

  • Familien,

  • Menschen mit temporären Einschränkungen,

  • Radfahrenden,

  • und letztlich allen.

Menschen mit Behinderungen sind jedoch der Maßstab, nicht die Ausnahme.

Ist eine ebenerdige Querung über die Bahnstrecke überhaupt sicher?

Ja.

Es handelt sich um eine eingleisige Stichstrecke mit nur 1–3 Zugfahrten pro Monat und sehr guten Sichtverhältnissen. Barrierefreie Bahnübergänge dieser Art sind technisch etabliert und werden bundesweit eingesetzt – insbesondere bei geringem Zugverkehr.

Warum wird die bestehende "Wild"-Queren der Menschen nicht einfach toleriert?

Weil sie unsicher, illegal und für viele Menschen unpassierbar ist. Wildquerungen schließen insbesondere Rollstuhlnutzer, Menschen mit Rollator und Familien mit Kinderwagen aus und stellen für alle Beteiligten ein erhebliches Risiko dar.

Warum ist die Querung der Thedor-Heuss-Straße Teil der Forderung?

Weil Mobilität nur dann funktioniert, wenn Wege durchgängig sicher sind.

Eine barrierefreie Bahnquerung ohne sichere Straßenquerung würde das Problem nur verlagern. Deshalb fordert der BSK Mönchengladbach  eine integrierte Lösung.

Geht es hier nur um Menschen mit Behinderungen?

Nein.

Barrierefreie Infrastruktur nützt:

  • älteren Menschen,
  • Kindern, Familien, 
  • Menschen mit temporären Einschränkungen, 
  • Radfahrenden, 

und letztlich allen Menschen mit Behinderungen sind jedoch der Maßstab, nicht die Ausnahme.

Was fordert der BSK Mönchengladbach konkret?
  • Verzicht auf einen Brückenneubau

  • Planung eines barrierefreien Bahnübergangs

  • Sichere Querung der vierspurigen Straße

  • Transparente Prüfung und Beteiligung

Damit findet sich der BSK im Einklang mit den meisten Behindertenvertretern in Mönchengladbach

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