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„Barrierearm“ ist nicht gleich barrierefrei • Augen auf bei schönen Worten! • Eine Analyse irreführender Wortschöpfungen

von | 17. Juni 2025 | » Grundsätzlliches « | 0 Kommentare

 

Die Situation

Viele Vermieter, Bauträger oder Kommunen bewerben ihre Immobilien oder Infrastrukturprojekte mit Begriffen wie „seniorengerecht“, „rollstuhlfreundlich“ oder „barrierearm“.

Was dabei oft verschwiegen wird: Diese Begriffe sind nicht geschützt und erfüllen häufig nicht die Anforderungen an echte Barrierefreiheit.

Wenn es also um „Barrierefreiheit“ geht, scheint die interessengeleitete Kreativität kaum Grenzen zu haben.

Dabei wäre diese Kreativität gar nicht erforderlich, würden sich die Verantwort­lichen (Leitungskräfte, Planer usw.) nur an die Definition von „Barrierefreiheit“ an dem Behinderten­gleich­stellungs­gesetz (BGG) und hier an den § 4 orientieren.

Hier ist der Grundsatz verankert, dass Menschen mit Behinderungen alle Objekte (bauliche und andere) „auffindbar“, „zugänglich“ und “nutzbar” sein müssen – und das ohne fremde Hilfe!

 

Eine “Kreativitätsanaylse”

Diese Wortwolke enthält eine Vielzahl von Begriffen, die im Kontext von Barrierefreiheit verwendet werden.

Viele dieser Begriffe sind problematisch oder unklar und irreführend in ihrer Aussagekraft.

Das besonders im Hinblick auf eine sachlich korrekte und rechtskonforme Verwendung gemäß den einschlägigen Normen (wie die DIN 18040).

Eine kritische qualitative Analyse der Begriffe kommt zu folgenden Ergebnissen:

Ergebnisse zum Download

 

Was bedeutet Barrierefreiheit wirklich?

Barrierefreiheit heißt, dass alle Menschen – unabhängig von Behinderung oder Alter – Gebäude, Wohnungen, Verkehrsmittel oder öffentliche Räume ohne fremde Hilfe erreichen und nutzen können.

Das ist keine Frage des Wohlwollens, sondern ein Recht, das gesetzlich verankert ist – unter anderem in:

  • dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)
  • der UN-Behindertenrechtskonvention
  • und den einschlägigen DIN-Normen, insbesondere DIN 18040

Nur wenn ein Objekt diesen Standards entspricht, darf es als barrierefrei bezeichnet werden.

 

Unsere (Auf)Forderungen an …

Planer, Bauträger und Behörden
  • Nehmen Sie eine klare, ehrliche Kennzeichnung von Barrierefreiheit nach DIN 18040 vor
  • Vermeiden Sie irreführenden Begriffe – denn sie führen zu Enttäuschung, Ausschluss und Frustration
  • Benutzen Sie rechtssichere Standards auch in Exposés, Förderanträgen und öffentlichen Ausschreibungen
Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker
  • Gewähren Sie kommunale Fördermittel nur bei nachweislicher Barrierefreiheit nach DIN 18040
  • Genehmigen Sie nur verbindliche Planungsstandards in Bebauungsplänen, Wettbewerben und Vergaben
  • Veranlassen Sie die Schulung von Verwaltung und Bauämtern zu Barrierefreiheit und Inklusion
Denn:

Als Entscheidungsträger in der Kommunalpolitik tragen Sie Verantwortung für eine inklusive und zukunftsfähige Stadtentwicklung. Barrierefreiheit ist dabei keine Sonderleistung, sondern ein gesetzlicher und sozialer Auftrag. Trotzdem werden Neubauten, Haltestellen oder Wohnungen immer wieder als „barrierefrei“ bezeichnet, obwohl sie es nicht sind.

Begriffe wie „seniorengerecht“, „barrierearm“ oder „rollstuhlfreundlich“ sind nicht geschützt und ersetzen keine normgerechte Planung nach DIN 18040.

Wer so kommuniziert, plant und entscheidet, riskiert, dass öffentliche Mittel in Projekte fließen, die Menschen mit Behinderung dauerhaft ausschließen.

Wohnungsunternehmen, Makler und Vermieter
  • Bewerben Sie Ihre Objekte trans­parent und normbasiert
  • Lassen Sie sich zur DIN 18040 fachlich beratenund
  • Nutzen Sie Expertise von Menschen mit Behinderungen und deren Interessenvertretungen
  • Vermeiden Sie juristische Risiken durch unklare Begriffe
  • Erschließen Sie neue Zielgruppen durch echte Barrierefreiheit
Denn:

Als Bauträger oder Bestandshalter tragen Sie eine hohe Verantwortung – auch gegenüber der älter werdenden Gesellschaft und Menschen mit Behinderung.

Barrierefreiheit ist ein starkes Verkaufsargument – aber nur dann, wenn sie auch rechtlich und funktional erfüllt ist.

Begriffe wie „barrierearm“ oder „behindertengerecht“ sind keine Ersatzbegriffe für echte Barrierefreiheit. Sie sind rechtlich nicht abgesichert – und im Zweifel haftungsrelevant.

Wer mit „Barrierefreiheit“ wirbt, muss auch nach DIN 18040 bauen und nachweisen können, dass das Angebot die Kernanforderungen an Erreichbarkeit und Nutzbarkeit erfüllt.

 

Mögliche juristische Konsequenzen

Irreführende Werbung mit vermeintlichen Barriere-Begriffen ist rechtlich riskant.

§ 5 und § 5a UWG geben klare Vorgaben, die durch die Rechtsprechung (BGH, OLG, LG Berlin u.a.) bestätigt werden.

Wer Werbung und Exposés verantwortungsvoll gestaltet, schützt sein Image und sich selbst und fördert echte Inklusion.

Geschieht dies nicht, und nutzen Werbende irreführende Werbung z.B. „barrierearm“ können sie sich mit einer Unterlassungsforderung nach § 8 UWG und einer Abmahnung bis hin zu einem Gerichtsverfahren konfrontiert sehen.

Das gilt auch für visuelle Irreführung durch Zeichnungen und Bilder.

Wer mit „Barrierefreiheit“ wirbt, muss transparente, belegbare und normgerechte Aussagen treffen.

Die Kombination aus UWG-Vorgaben und Rechtsprechung macht klar: Irreführung ist kein Kavaliersdelikt, sondern kann teuer werden, für Vermarktung, Reputation und Compliance.

Nach § 263 StGB (Betrug) können dem sogar strafrechtliche Konsequenzen drohen, der „durch Täuschung über Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält und dadurch einen Vermögensvorteil für sich oder einen Dritten erlangt und einem anderen einen Vermögensschaden zufügt.“

Beispiele auf Barrierefreiheit übertragen:

  • Ein Immobilienanbieter bewirbt eine Wohnung als „barrierefrei“, obwohl ihm bekannt ist, dass diese wichtige Anforderungen (z.B. Türbreite, Schwellen, WC-Ausstattung) nicht erfüllt.
  • Ein Mensch mit Mobilitätseinschränkung mietet die Wohnung in der berechtigten Erwartung, diese nutzen zu können und erleidet z.B. Kosten durch nachträgliche Umbauten oder gar Umzug.

Wenn auch selten vorkommend, kann der Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) zum Tragen kommen, wenn beispielsweise Grundrisse oder Prüfprotokolle manipuliert, oder falsche Gutachten zur Barrierefreiheit abgegeben werden.

Davon können Behörden oder Fördermittelgeber betroffen sind.

Falls Fördermittel (z.B. für barrierefreies Bauen) auf Basis falscher Angaben zur Barrierefreiheit erschlichen werden, greift Tatbestand des Subventionsbetruges (§ 264 StGB).

Beispiel: Ein Bauträger erhält öffentliche Fördergelder für barrierefreie Wohnungen, obwohl die Wohnungen nicht DIN-gerecht gebaut wurden und dies wissentlich verschwiegen wurde.

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